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Wie nachhaltig sind Textilien? - Ein Vergleich durch den Higg Material Index

Geschrieben von Iris | 03. September 2021

Welche Auswirkungen hat mein Produkt auf die Umwelt? Diese Frage stellen sich Kunden und Hersteller inzwischen immer öfter. Doch zunächst muss definiert werden, welche Auswirkungen es gibt, welche davon relevant sind und auf welche Bereiche der Umwelt sie einwirken.

Die Nachhaltigkeit eines Produkts sollte natürlich am besten quantifizierbar und auf einen Blick ablesbar sein. Einen umfassenden und gleichzeitig verständlichen Ansatz bietet hierzu der Higg Index. Als anerkannter Standard bietet er Kunden und Herstellern einen Maßstab für die Nachhaltigkeit der gesamten Lieferkette von Kleidung, Schuhen oder anderen Textilprodukten wie Teppichen. Hier ein Überblick über seine Dimensionen oder direkt zum Vergleich der Nachhaltigkeit von Materialien

 

1) Was versteht man eigentlich unter Nachhaltigkeit?

2) Welche Auswirkungen auf die Umwelt spielen eine Rolle?

3) Nachhaltigkeit in der Lieferkette

4) Die Entwicklung eines umfassenden Nachhaltigkeitsindex

5) Messbare Nachhaltigkeit für Produkte, Fabriken, Marken und Materialien

6) Umweltdimensionen der Nachhaltigkeit von Materialien (Higg MSI)

7) Welche Materialien sind am nachhaltigsten?

8) Die Auswahl des passenden Materials

 

1) Was versteht man eigentlich unter Nachhaltigkeit?

 

Das Wort ist in aller Munde – doch was ist eigentlich Nachhaltigkeit? Ausgehend vom eigentlichen Sinn des Wortes als „längerfristig, andauernd“, konzentriert sich Nachhaltigkeit inzwischen vor allem auf Umweltaspekte. Hier versteht man unter Nachhaltigkeit, nicht mehr aus einem System zu entnehmen als regeneriert werden kann. Klassisches Beispiel: In einem Wald in einem bestimmten Zeitraum nicht mehr Holz zu fällen als nachwachsen kann. In diesem Sinne gilt es als nachhaltig, ein natürliches System möglichst wenig in seiner Funktionsweise zu stören.

 

 

2) Welche Auswirkungen auf die Umwelt spielen eine Rolle?

 

Denkt man an Umweltbelastung, hat man als Endverbraucher oder auch Produktdesigner häufig die unmittelbare, sichtbare Umwelt vor Augen. Das heißt Smog in Städten, verschmutzte Flüsse, Plastik im Meer. Was weniger sichtbar ist, sind mittelbare Faktoren. Das können sowohl Überdüngung des Bodens sein, als auch Elemente die sich nicht nur auf die “natürliche” Umwelt beziehen müssen. Denn schließlich spielt für uns Menschen nicht allein die Natur eine Rolle, sondern auch soziale Systeme und Arbeitsbedingungen. Ohnehin existiert keins dieser komplexen Systeme für sich selbst, gerade beim Thema Umwelt steht alles miteinander in Wechselwirkung.

 

3) Nachhaltigkeit in der Lieferkette

 

So sollte ein Nachhaltigkeitsindex dann auch verschiedene Dimensionen abdecken. Passend dazu sind in den letzten Jahren in vielen europäischen Ländern neue Lieferkettengesetze verabschiedet worden. Hier zeigt sich der Fokus auf unternehmerische Sorgfaltspflichten verstärkt auch in Bezug auf vor- und nachgelagerte Produktionsschritte. Denn sowohl Arbeits- als auch Produktionsbedingungen können bei der Entstehung eines Produkts einen großen Einfluss auf die Umwelt haben. Diese messbar zu machen, ist das Ziel des Higg Index.

 

 

4) Die Entwicklung eines umfassenden Nachhaltigkeitsindex

 

Entstanden ist der Higg Index aus einer Initiative der Sustainable Apparel Coalition, einer Non-Profit-Organisation mit verschiedenen wichtigen Vertretern der Branche wie zum Beispiel Salomon und Patagonia, Herstellern wie Lenzing und Lycra, sowie Verbünden wie TÜV und WWF

 

Mit mehr als 250 Mitgliedern bildet die Sustainable Apparel Coalition alle Stufen der Lieferkette umfassend und international ab. Verwirklicht in seiner ersten Form 2011, integriert der Higg Index den älteren Eco Index, wurde seither aber stetig erweitert und überarbeitet. Die letzte Erweiterung umfasst explizit ein Tool zu sozialer Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen.

 

 

5) Messbare Nachhaltigkeit für Produkte, Fabriken, Marken und Materialien

 

Die Sustainable Apparel Coalition bietet, basierend auf dem Higg Index, unterschiedliche Tools für die Quantifizierung der Umweltnachhaltigkeit von einzelnen Fabriken, ihre soziale Nachhaltigkeit, die Bewertung ganzer Marken und Produktlinien, sowie die Beurteilung von Materialien.

 

Letzteres ist besonders für die Produktentwicklung von Bedeutung, gibt es doch Produktdesignern vorab eine Einschätzung des Einflusses ihrer Materialentscheidungen auf die Umweltbilanz des Produkts. Am meisten profitiert man als Produktdesigner bei der Wahl zwischen Stoffen mit vergleichbaren benötigten Materialeigenschaften sicherlich bei einem Blick auf den Higg Index für Materialien.

 

 

6) Umweltdimensionen der Nachhaltigkeit von Materialien (Higg MSI)

 

Der Higg Index speziell für Materialien umfasst die Dimensionen Chemische Auswirkungen, Verbrauch fossiler Brennstoffe, Wasserknappheit, Überdüngung von Gewässern (Eutrophierung) und Beitrag zur Klimaerwärmung. Dabei bewertet der MSI das jeweilige Material von seiner Wiege bis zu dem Punkt an dem es bereit ist, zu einem Produkt zusammengesetzt zu werden (cradle-to-gate). 

 

Für die Quantifizierung der Nachhaltigkeit eines kompletten Produkts bis zu seiner Wiederverwertung (cradle-to-cradle) oder Vernichtung (cradle-to-grave) stehen weitere Tools bereit. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass Verbundstoffe eventuell nicht mehr getrennt und dadurch auch nicht mehr recycelt werden können. Es kommt also bei jedem Produkt auch auf die Kombination von Materialien und ihre jeweilige Verarbeitung an. 

 

 

7) Welche Materialien sind am nachhaltigsten?

 

Ein Blick auf den Higg Index bietet viele überraschende Ergebnisse. Interessant im Bereich Textilien ist vor allem der Vergleich zwischen klassischen Materialien, wie Wolle, Leinen, Baumwolle, Polyester, Viskose etc. Auch einige weniger verbreitete Materialalternativen wurden bewertet, wie Lyocell, Modal, Hanffaser und die immer beliebter werdende Biobaumwolle.

 

Spannend zu sehen ist unter anderem die starke Umweltbelastung von konventioneller Baumwolle, verursacht durch den hohen Wasserverbrauch beim Anbau in trockenen Regionen. Auch die Überdüngung der Gewässer wirkt sich hier negativ aus, jedoch noch viel stärker beim Anbau von Flachs für Leinen und Hanffaser.

 

 

An sich ein natürliches, erneuerbares Material mit vielen guten Eigenschaften, verbraucht Schafwolle deutlich weniger Wasser als herkömmliche Baumwolle, Leinen oder Hanffaser. Laut Higg Index schlägt jedoch ihr Beitrag zur Klimaerwärmung stärker zu Buche. Trotzdem erreicht sie immer noch eine bessere Platzierung als herkömmliche Baumwolle und Hanffaser.

 

Tatsächlich erzielen sowohl Viskose als auch Polyester (PET) und Polypropylen (PP) ein deutlich besseres Ergebnis als handelsübliche Baumwolle. Besonders Polyester und Polypropylen haben einen sehr geringen Wasserverbrauch in der Herstellung. Natürlich ist die Verwendung fossiler Ressourcen hier der größte Faktor für den Higg Index, dieser lässt sich jedoch durch die Verwendung von recycletem PET, zum Beispiel aus Plastikflaschen, nochmal deutlich verringern.

 

 

Für viele sicherlich besonders überraschend: Naturfasern, selbst Biobaumwolle, schneiden schlechter ab als die Regeneratfaser TENCEL Lyocell auf Holzbasis. Mit seinem geringen Einfluss auf Klima, Wasser und Böden ist TENCEL gemäß Higg Index somit der klare Sieger unter den nachhaltigen Textilien. Hier können Sie mehr über den Herstellungsprozess von TENCEL™ erfahren.

 

8) Die Auswahl des passenden Materials

 

Natürlich muss bei der Auswahl des richtigen Materials immer auch auf dessen Eigenschaften geachtet werden. So ist die seidige Struktur von TENCEL und Viskose sicherlich in vielen Produkten erwünscht, kann aber für robustere Anwendungen ungeeignet sein. Auch kann sich die Entscheidung für ein Tierprodukt wie Wolle letztlich als nachhaltiger herausstellen, als ein empfindlicheres Material mit besserem Higg Index, dessen kürzere Lebensdauer dann häufigeres Austauschen erfordert. Besonders bei Textilien für den Außenbereich oder Feuchträume wie Küche und Bad, schneiden die Kunstfasern PET und PP sowohl im Higg Index als auch bei ihrer Belastbarkeit und wasserabweisenden Eigenschaften gut ab.

 

 

Für welches Material man sich als Designer oder Kunde letztlich entscheidet, kommt also immer auf den Anwendungsfall an. Dabei die Nachhaltigkeit mit einem Blick auf den Higg Index zu vergleichen, kann aber bei der Entscheidung helfen und Auswirkungen auf die Umwelt transparenter machen. Bei sämtlichen Fragen zum perfekten Teppich und den passenden Materialien für alle Wohn- oder Arbeitsbereiche steht das kymo Expertenteam jederzeit gerne zur Verfügung! 

 

 

 

Bilder:

Wongle Sanae (1 & 5)

Zli Kovec (2)

Dushyant Gupta (3)

Sustainable Apparel Coalition (4)

Sergey Avgustinovich (6)

Megan Betteridge (7)

N. Kazakov (8)